19.05.2025 – land und region
Wenn wir über Landwirtschaft sprechen, geht es oft um Märkte, Tierhaltung, Klimaschutz oder Flächenpolitik, aber nur ganz selten um die Betriebshelferinnen. Was dabei viel zu selten erwähnt wird, ist die soziale Infrastruktur, die im Hintergrund funktioniert – oder funktionieren muss – damit ein bäuerlicher Familienbetrieb auch im Notfall weiter bestehen kann.
Eine tragende Säule dieser Struktur sind die Betriebshelferinnen und Betriebshelfer, ebenso wie Dorfhelferinnen und Hauswirtschafterinnen, die über Maschinenringe oder soziale Betriebshilfen organisiert werden. Sie springen ein, wenn der Alltag auf dem Hof aus dem Tritt gerät – bei Krankheit, Unfall, Todesfall, Reha, Mutterschutz oder psychischer Belastung.
Wer diese Menschen sind
Diese Helferinnen und Helfer sind ausgebildete Fachkräfte, meist mit landwirtschaftlichem Berufsabschluss oder einer Zusatzqualifikation in Hauswirtschaft, Pflege oder Kinderbetreuung. Sie übernehmen in Notfällen alle notwendigen betrieblichen, hauswirtschaftlichen oder pflegerischen Aufgaben: Tiere versorgen, melken, füttern, Maschinen bedienen, Felder bewirtschaften – aber auch Kinder betreuen, einkaufen, kochen, Wäsche waschen und den Familienalltag strukturieren.
Sie kennen den Betrieb oft nicht im Detail, bevor sie das erste Mal dort stehen. Und sie wissen, was sie tun. Ohne großes Aufsehen, aber mit der vollen Verantwortung für Hof, Familie und Tiere.
Was diese Arbeit leistet
Die Betriebshilfe leistet viel mehr als nur das, was „irgendwie nötig“ ist. Sie bedeutet:
- Versorgungssicherheit für Mensch und Tier: Die Tiere müssen gefüttert, gemolken oder medizinisch versorgt werden – jeden Tag, auch wenn der Betriebsleiter ausfällt.
- Wirtschaftliche Stabilität: Der laufende Betrieb ist für viele Familien nicht nur Arbeitsplatz, sondern Lebensgrundlage. Stillstand bedeutet oft wirtschaftliches Risiko.
- Soziale Sicherheit: Für viele Familien ist die soziale Betriebshilfe die einzige Möglichkeit, in Krisenfällen zuhause bleiben zu können, ohne dass der Hof zusammenbricht.
- Verantwortung für die nächste Generation: Besonders junge Familien in der Landwirtschaft profitieren von der Kombination aus Familienhilfe, Hauswirtschaft und Hofvertretung.
Ein Netzwerk, das funktioniert – solange man es unterstützt
Organisiert wird dieser Einsatz über die Maschinenringe oder die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG). Der Einsatz kann ganz unterschiedlich finanziert werden – über Krankenkassen, Unfallkassen, Reha-Träger oder die Alterskasse. Der Maschinenring vermittelt passgenau und schnell. Trotzdem geraten viele Helferinnen und Helfer an ihre Grenzen: Zu wenig Personal, zu viele Einsatzstunden, zu viel Bürokratie.
Was oft vergessen wird: Diese Helferinnen und Helfer arbeiten im „live-Betrieb“. Ohne doppelten Boden. Sie übernehmen Familien, Kinder, Betriebe, Maschinen – mit einer Selbstverständlichkeit, die nur mit hohem Verantwortungsgefühl funktioniert.
Das ist kein Pflegeersatz, keine Notlösung und schon gar kein Improvisationstheater. Das ist qualifizierte, systemrelevante Arbeit – mit einem gesellschaftlichen Mehrwert, der weit über den einzelnen Hof hinausreicht.
Warum sie so wichtig für den ländlichen Raum sind
Gerade auf dem Land, wo Gesundheitsversorgung, Pflegeangebote und Kindertagesstätten ohnehin oft lückenhaft sind, sichern Betriebshelferinnen und Dorfhelferinnen die Lebensrealität vieler Familien ab. Sie sind nicht nur Krisenlösung, sondern auch ein Zeichen von Gemeinschaft, Stabilität und Solidarität. Ohne sie würde die Lebensfähigkeit vieler kleinerer Höfe massiv gefährdet – und mit ihnen ein Teil unserer regionalen Lebensmittelversorgung.
Sie stehen oft vor Sonnenaufgang im Stall, begleiten Kinder zur Schule, übernehmen Pflege- und Alltagsaufgaben – und am Ende des Tages wird ihre Arbeit kaum gesehen.
Sie sind keine Schlagzeile wert, aber jeden Applaus.
Ein Appell an Politik und Gesellschaft
Wenn wir über Fachkräftemangel, Versorgungssicherheit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land sprechen, dann müssen wir auch über die soziale Betriebshilfe sprechen.
Diese Menschen verdienen bessere Rahmenbedingungen, faire Entlohnung, stärkere Anerkennung – und vor allem Sichtbarkeit. Sie sind das Rückgrat der Fürsorge in ländlichen Regionen. Und sie ermöglichen Familienbetrieben, das zu tun, was sie jeden Tag leisten: arbeiten, wirtschaften, Lebensmittel erzeugen, Tiere versorgen – und dabei Familie sein.
Betriebshelferinnen sind mehr als Notfalllösungen. Sie sind Stabilitätsanker in einer fragilen Struktur.
Wer ihnen begegnet, begegnet nicht nur einer Helferin – sondern einem ganzen System von Verantwortung, Fürsorge und Respekt. Und wer sie unterstützt, investiert nicht nur in den Hof von heute – sondern in die Landwirtschaft von morgen.
Autor:
Redaktion Land und Region
Christian Kluge
Fotos: Kluge Kommunikation