30.06.2025 – land und region

Der Flächenverbrauch in Deutschland gehört zu den größten, oft unterschätzten Herausforderungen für Landwirtschaft, Versorgungssicherheit und Biodiversität. Jeden Tag verschwinden im Durchschnitt mehr als 50 Hektar Boden unter Asphalt, Beton oder Pflaster – das entspricht mehr als 70 Fußballfeldern täglich. Diese Flächen sind nicht einfach „leer“ oder beliebig austauschbar. Sie sind Grundlage für unsere Lebensmittelproduktion, für Lebensräume und für das wirtschaftliche Überleben vieler landwirtschaftlicher Betriebe.

Wenn Acker zu Asphalt wird

Die Umwandlung landwirtschaftlicher Nutzflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen ist keine vorübergehende Maßnahme. Was einmal bebaut ist, bleibt es oft dauerhaft. Kein Regenwurm kehrt zurück, keine Wildpflanze siedelt sich wieder an, kein Weizen wird dort jemals wachsen. Diese Versiegelung ist endgültig – sie entzieht Böden ihrer Funktionen als Nahrungsgrundlage, Kohlenstoffspeicher, Wasserrückhalt und Lebensraum.

Seit 1992 hat Deutschland die Fläche von fast ganz Thüringen zusätzlich für Siedlung und Verkehr beansprucht. Das geschah häufig in kleinen Schritten, etwa durch Gewerbegebiete am Ortsrand, neue Baugebiete oder Straßenprojekte. Doch in der Summe wird dadurch die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Nutzfläche stetig geringer.

Flächenverbrauch und die Absurdität der Kompensation

Gleichzeitig wird im urbanen Raum über Artenschutz und Biodiversität diskutiert, während der eigentliche Verlust vor allem im ländlichen Raum stattfindet. Städte setzen auf Blühstreifen oder Ausgleichsmaßnahmen, die den Eindruck erwecken sollen, verlorene Fläche ließe sich durch kleine ökologisch gestaltete Areale ersetzen. Doch das ist bestenfalls ein Trostpflaster. Ackerboden ist keine Ressource, die sich kurzfristig regenerieren lässt. Einmal zerstörter Bodenaufbau braucht Jahrhunderte, um sich neu zu entwickeln.

Auswirkungen auf Lebensmittelproduktion und Preise

Landwirtschaft braucht Fläche – nicht nur für die Erzeugung von Getreide, Kartoffeln oder Gemüse, sondern auch für Tierhaltung, Energiepflanzen und die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe. Sinkende Flächenverfügbarkeit bedeutet steigende Kosten: Pachten steigen, Betriebe geraten unter Druck, die Versorgung mit regionalen Lebensmitteln wird schwieriger. Bereits jetzt zeigen sich diese Effekte: Immer mehr landwirtschaftliche Familienbetriebe geben auf, weil die Flächenkonkurrenz und der Kostendruck nicht mehr tragbar sind.

Wenn landwirtschaftliche Nutzfläche verloren geht, betrifft das nicht nur Landwirte – es wirkt sich auf alle aus. Denn knapper werdende Flächen führen langfristig zu steigenden Preisen, weniger regionalen Produkten und wachsenden Abhängigkeiten von Importen. Das schwächt unsere Ernährungssouveränität.

Flächenverbrauch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Es wird Zeit, Flächenverbrauch nicht länger als Nebenthema zu behandeln. Jede Entscheidung für ein neues Gewerbegebiet, ein weiteres Wohnquartier oder zusätzliche Infrastruktur muss auch mit Blick auf Ernährungssicherheit, Versorgungslage und Artenschutz bewertet werden. Denn wir können nicht gleichzeitig ungebremst Fläche verbrauchen und von stabilen Lebensmittelpreisen und hoher Artenvielfalt träumen.

Fläche ist keine Ressource mit Rückgaberecht. Was verloren ist, ist verloren. Das betrifft Landwirte, Verbraucher und künftige Generationen gleichermaßen.

Ein ehrlicher Umgang mit Zielkonflikten

Wir müssen als Gesellschaft anerkennen: Wir können nicht alles gleichzeitig haben. Immer neue Logistikzentren, wachsende Siedlungen und zusätzliche Straßen beanspruchen Fläche – genauso wie der Wunsch nach regionalen Lebensmitteln, lebendigen Kulturlandschaften und Artenvielfalt. Der Flächenverbrauch zwingt uns, Prioritäten zu setzen.

Nur wenn Politik, Kommunen und Verbraucher gemeinsam Verantwortung übernehmen, kann eine Balance gefunden werden. Dafür braucht es mehr Bewusstsein, klare Regeln und den Mut, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Denn Flächenverbrauch ist keine abstrakte Zahl – er entscheidet mit darüber, was morgen noch auf unseren Tellern liegt.

Grüße gehen raus ins Land und die Region.

Autor:

Redaktion Land und Region
Christian Kluge

Fotos: Kluge Kommunikation

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