30.11.2024 – land und region

Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) birgt erhebliche Risiken für die europäische und insbesondere die deutsche Landwirtschaft. Während auf den ersten Blick günstigere Importe und wirtschaftliche Kooperationen positiv erscheinen mögen, zeigen sich bei genauer Betrachtung schwerwiegende Probleme, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Landwirte als auch ökologische und soziale Ziele massiv gefährden.

Mangelnde Herkunftskennzeichnung: Verbraucher im Dunkeln

Eine der zentralen Herausforderungen des Mercosur-Abkommens ist die fehlende verbindliche Herkunftskennzeichnung für viele landwirtschaftliche Produkte. Fleisch, Geflügel oder andere Agrarprodukte könnten ohne klare Angabe ihrer Herkunft auf den europäischen Markt gelangen. Für Verbraucher wird es dadurch schwieriger, bewusste Entscheidungen zu treffen und Produkte auszuwählen, die unter hohen europäischen Umwelt-, Sozial- und Tierwohlstandards produziert wurden. Diese Intransparenz untergräbt nicht nur das Vertrauen der Verbraucher, sondern auch die Bemühungen der europäischen Landwirte, nachhaltig zu produzieren.

Ungleiche Standards und Kosten

Die Mercosur-Staaten unterliegen in ihrer Landwirtschaft oft wesentlich weniger strengen Umwelt-, Sozial- und Tierwohlauflagen als die EU-Landwirte. Während europäische Landwirte hohe Standards erfüllen müssen, können Produkte aus den Mercosur-Staaten zu deutlich geringeren Kosten produziert werden. Diese Preisdifferenz setzt europäische Erzeuger – insbesondere kleine und mittelständische Betriebe – massiv unter Druck, da sie mit den günstigen Importen nicht konkurrenzfähig sind.

Die Umsetzung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken erfordert Investitionen und Kosten, die europäische Landwirte bereits tragen. Es ist jedoch paradox, dass gleichzeitig Produkte aus Ländern importiert werden sollen, die diese Standards nicht einhalten müssen. Dadurch wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft untergraben, sondern auch das Ziel einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion in der EU geschwächt.

Abholzung des Amazonas und globale Umweltziele

Der Ausbau der Landwirtschaft in den Mercosur-Staaten ist direkt mit der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes verbunden. Dies steht in krassem Widerspruch zu den globalen Zielen für den Klimaschutz und der Verpflichtung der EU, Biodiversität zu schützen und den CO₂-Ausstoß zu reduzieren.

Wenn die EU durch das Mercosur-Abkommen den Import solcher Produkte erleichtert, fördert sie indirekt die Zerstörung eines der wichtigsten Ökosysteme der Erde. Dies ist nicht nur ökologisch unverantwortlich, sondern auch ein fatales Signal für den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel.

Bedrohung der heimischen Landwirtschaft

Die günstigen Importe aus den Mercosur-Staaten könnten die Nachfrage nach heimischen Produkten erheblich reduzieren. Gerade kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe, die das Rückgrat der deutschen Landwirtschaft bilden, wären hiervon besonders betroffen. Sie haben oft weniger Spielraum, um auf Preisdruck zu reagieren, und stehen bereits unter erheblichem wirtschaftlichem Druck durch steigende Kosten, hohe Umweltauflagen und volatile Märkte.

Eine Reduzierung der heimischen Produktion zugunsten günstiger Importe gefährdet nicht nur die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe, sondern auch die Ernährungssicherheit in Deutschland und Europa. Die COVID-19-Pandemie und aktuelle geopolitische Krisen haben deutlich gezeigt, wie wichtig regionale und stabile Liefer- und Wertschöpfungsketten für die Versorgungssicherheit sind.

Doppelmoral in der Handelspolitik

Während die EU-Landwirte mit immer strengeren Vorgaben zu Nachhaltigkeit, Tierwohl und Klimaschutz konfrontiert werden, öffnet das Mercosur-Abkommen die Tür für Produkte, die diesen Standards nicht gerecht werden. Dies ist nicht nur eine klare Wettbewerbsverzerrung, sondern auch eine Frage der Glaubwürdigkeit: Wie kann die EU von ihren Landwirten höchste Standards fordern und gleichzeitig Produkte importieren, die unter Bedingungen hergestellt wurden, die sie hierzulande verbieten würde?

Neben den genannten Punkten gibt es weitere Argumente, die gegen das Mercosur-Abkommen sprechen:

  1. Verlagerung von Umweltproblemen:
    Der Import von Agrarprodukten aus den Mercosur-Staaten führt zu einer Externalisierung von Umweltproblemen. Anstatt nachhaltig in Europa zu produzieren, wird die Umweltbelastung auf andere Kontinente verlagert.
  2. Arbeitsbedingungen:
    In vielen Mercosur-Staaten sind die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft prekär, u.a. ist die fehlende soziale Absicherung keine Seltenheit. Mit dem Abkommen würde die EU solche Praktiken indirekt unterstützen.
  3. Verlust von Vielfalt:
    Der Rückgang heimischer Betriebe durch Preisdruck könnte langfristig zu einer Reduktion der Vielfalt an regionalen Lebensmitteln führen. Damit würde nicht nur kulturelles Erbe, sondern auch die Qualität und Sicherheit der Lebensmittelproduktion gefährdet.
  4. Abhängigkeit von Importen:
    Eine verstärkte Abhängigkeit von Importen aus Drittstaaten macht die EU anfälliger für geopolitische und wirtschaftliche Instabilitäten in anderen Teilen der Welt.

Das Mercosur-Abkommen gefährdet die Nachhaltigkeitsziele der EU, setzt europäische Landwirte unter massiven Druck und fördert umweltschädliche Praktiken in Drittstaaten. Es schafft unfaire Wettbewerbsbedingungen und ignoriert die Rolle der Landwirtschaft als Rückgrat unserer Gesellschaft und Versorgungssicherheit.

Die Landwirtschaft ist nicht gegen den Freihandel und die wirtschaftliche Vernetzung, im Rahmen solcher Abkommen muss aber gleichzeitig die heimische Landwirtschaft geschützt und gestärkt werden – durch faire Preise, klare Herkunftskennzeichnungen und den bewussten Einkauf regionaler Produkte. Nur so können wir eine nachhaltige, gerechte und sichere Lebensmittelproduktion für die Zukunft gewährleisten.

Grüße gehen raus ins Land und Region.

Autor:

Redaktion Land und Region
Christian Kluge

Fotos: Kluge Kommunikation

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner