04.11.2024 – land und region

Das deutsche Tierschutzgesetz setzt hohe Standards für das Wohl der Tiere und ist ein grundlegender Ausdruck unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Doch gerade für die Landwirtschaft stellt die Umsetzung dieser Vorgaben oft eine komplexe Aufgabe dar, die nicht nur ethische, sondern auch wirtschaftliche und technische Aspekte umfasst. Ein funktionierender Tierschutz in der Landwirtschaft erfordert ein ausgewogenes Zusammenspiel von gesetzlichen Rahmenbedingungen, betrieblicher Machbarkeit und gesellschaftlicher Unterstützung. Nur wenn diese Bereiche gemeinsam betrachtet werden, kann eine langfristig tragfähige Lösung für den Tierschutz in der Landwirtschaft gelingen.

In Deutschland arbeiten viele landwirtschaftliche Betriebe bereits intensiv daran, ihre Haltungssysteme tiergerechter zu gestalten und den Bedürfnissen der Tiere besser gerecht zu werden. Maßnahmen wie die Verbesserung von Stallklima und Bewegungsflächen, Zugang zu Tageslicht und Möglichkeiten zum natürlichen Verhalten der Tiere sind für viele Betriebe eine Selbstverständlichkeit. Doch die Umstellung auf noch höhere Standards, die teilweise von Gesetzes wegen gefordert werden, stellt für viele landwirtschaftliche Betriebe eine erhebliche finanzielle Herausforderung dar. Oft fehlen Förderprogramme oder finanzielle Anreize, um diese notwendigen Investitionen zu stemmen. Es braucht daher eine umfassende Unterstützung seitens der Politik, die es den Betrieben ermöglicht, die hohen Tierschutzstandards umzusetzen, ohne ihre wirtschaftliche Existenz zu gefährden.

Die Balance zwischen Tierschutzgesetz und betriebswirtschaftlicher Machbarkeit ist für die Landwirtschaft in Deutschland ein zentrales Thema. Viele landwirtschaftliche Familienbetriebe kämpfen mit steigenden Produktionskosten, und die Erzeugerpreise bleiben oftmals hinter den tatsächlichen Betriebsausgaben zurück. Wenn hohe Tierschutzstandards ohne ausreichende finanzielle Unterstützung gefordert werden, drohen viele Betriebe an den Anforderungen zu scheitern. Dies würde nicht nur die Existenz der Betriebe, sondern auch die Versorgungssicherheit und die Wertschöpfung im ländlichen Raum gefährden. Ein nachhaltiger Tierschutz kann nur funktionieren, wenn er finanziell und strukturell tragfähig ist und die Betriebe die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung erhalten.

Ein weiterer Punkt ist die technische Machbarkeit vieler Tierschutzanforderungen. Die Umstellung auf tierfreundlichere Haltungssysteme erfordert oft erhebliche Umbaumaßnahmen und technische Anpassungen, die zeitaufwendig und kostenintensiv sind. In der Praxis bedeutet das, dass nicht alle Maßnahmen sofort umsetzbar sind, selbst wenn die Bereitschaft dazu besteht. Daher ist eine realistische Umsetzungsplanung notwendig, die den Betrieben genügend Zeit und Unterstützung bietet, um die geforderten Standards schrittweise zu erreichen.

Neben finanzieller Unterstützung und einer technisch umsetzbaren Planung ist eine umfassende gesellschaftliche Diskussion über den Tierschutz in der Landwirtschaft nötig. Die Verantwortung für das Wohl der Tiere darf nicht nur auf die Landwirte abgewälzt werden. Auch die Verbraucher spielen eine wichtige Rolle und können durch bewusste Kaufentscheidungen dazu beitragen, dass tiergerechtere Produktionsweisen gefördert werden. Tierwohl hat seinen Preis, und die Bereitschaft der Verbraucher, diesen Preis zu tragen, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass die Betriebe die notwendigen Investitionen langfristig refinanzieren können.

Die politischen Rahmenbedingungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene sind hierbei von entscheidender Bedeutung. Die Politik muss darauf achten, dass das Tierschutzgesetz nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung für deutsche Betriebe führt, die unter strengeren Standards produzieren als andere europäische Nachbarn. Wenn deutsche Landwirte höheren Tierschutzstandards nachkommen müssen, sollten sie auch durch faire Handelsbedingungen und finanzielle Unterstützung geschützt werden. Es gilt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu sichern, ohne den Tierschutz zu gefährden.

Ein wirksamer Tierschutz kann also nur gelingen, wenn alle Beteiligten – die Landwirte, die Politik und die Gesellschaft – an einem Strang ziehen und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Das Tierschutzgesetz bietet den rechtlichen Rahmen, aber die Praxis zeigt, dass der Weg zu einer umfassenden Umsetzung sorgfältig geplant und auf die Realität der Betriebe abgestimmt sein muss. Ein langfristig tragfähiger Tierschutz, der das Wohl der Tiere, die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe und die gesellschaftlichen Erwartungen berücksichtigt, ist nur durch eine ganzheitliche und ausgewogene Herangehensweise erreichbar. Die deutsche Landwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten, doch sie braucht die Unterstützung und das Verständnis der Gesellschaft und der Politik, um diesen Weg erfolgreich gehen zu können.

Grüße gehen raus ins Land und die Region.

Autor:

Redaktion Land und Region
Christian Kluge

Fotos: Kluge Kommunikation

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