30.07.2025 – land und region
So, heute reden wir mal grundsätzlich, weil es in der Sommerpause so massiv auffällt: Irgendwie legen gerade alle die Füße hoch, rühren nochmal im Aperol und machen sich Gedanken – über die Landwirtschaft. Natürlich. Denn da kennen sich ja alle aus. Vom Bundestagsbüro bis zur Yogamatte. Kaum ein Thema, bei dem sich so viele Menschen berufen fühlen, mitzureden, reinzufunken, Regeln zu machen.
Ohne Stallgeruch, aber mit Meinung. Weil: „Ich hab ja auch mal Tomaten auf dem Balkon gehabt.“ Super. Ich hatte auch mal ’n Malbuch – bin trotzdem kein Kunstkritiker. Aber bei der Landwirtschaft? Da ist plötzlich jeder Experte. Die Ernte läuft, die Arbeit ist auf Anschlag, die Realität kennt keine Pause – aber die Ratschläge? Die sprießen schneller als jedes Unkraut.
Ich weiß ja nicht, wie’s euch geht – aber ich sag meinem Urologen auch nicht, wie er seinen Finger halten soll. Oder dem Elektriker, wie er die Leitung durch den Sicherungskasten schiebt. Aber bei der Landwirtschaft?
Da haben alle eine Meinung. Plötzlich ist Deutschland voller Bodenexperten, Düngegurus, Kuhversteher, Traktorflüsterer und Hobby-Agrarökonomen. Die einen wollen weniger Spritzen, die anderen mehr Blühflächen, aber bitte nicht im eigenen Vorgarten, und die Kartoffeln im Supermarkt soll trotzdem groß, rund und billig sein.
Und weißt du was? Wenn du wirklich glaubst, du weißt es besser – dann bau dir dein Essen doch einfach selber an. Ehrlich. Pflanz dir deinen Dinkel, schütz ihn ohne Pflanzenschutz vor Pilzen, sammel per Hand die Blattläuse ab und hoffe, dass’s nicht regnet, wenn er gerade reif ist. Dann kannst du mal schauen, wie dein „natürlicher Ertrag“ aussieht, wenn das Wetter macht, was es will, der Boden zickt und dir nachts noch die Wildschweine die halbe Mühe wegfressen.
Oder wie wär’s mit Kartoffeln? Klingt einfach. Ist aber nicht TikTok, sondern Handarbeit mit Rücken. Und wenn du dann endlich deinen ersten Eimer voller Erde durchwühlt hast und drei Knollen rausholst, die aussehen wie deformierte Murmeln – dann reden wir nochmal drüber, wie „leicht“ Landwirtschaft doch eigentlich ist. Landwirtschaft ist kein Hobbykurs. Das ist ein Vollzeitjob mit Fachwissen nur leider ohne Wettergarantie.
Ja, man kann Fragen stellen. Gerne sogar. Aber Fragen ist nicht gleich Reinquatschen. Und Wissen ist nicht gleich Meinung. Also: Nächstes Mal, wenn du wieder was sagen willst über Pestizide, Gülle, Traktorlärm oder angeblich „industrielle Landwirtschaft“ – geh vorher mal aufs Feld. Nicht bei youtube – mit den Händen. Dann reden wir weiter. Aber wahrscheinlich nicht.
Autor:
Redaktion Land und Region
Christian Kluge
Fotos: Kluge Kommunikation