02.09.2025 – land und region

Die Europäische Kommission plant ab 2028 eine umfassende Neuausrichtung des EU-Haushalts und nimmt damit auch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) grundlegend in die Zange. Was als Modernisierung verkauft wird, könnte sich für viele landwirtschaftliche Betriebe und ländliche Regionen als massiver Einschnitt erweisen. Der geplante „Single Fonds“ und die Abschaffung der bisherigen GAP-Struktur stoßen in der Agrarbranche auf massive Kritik und das aus gutem Grund.

Vom Zwei-Säulen-Modell zum „Superfonds“

Seit Jahrzehnten beruht die GAP auf einem klaren Prinzip: Säule I finanziert Direktzahlungen an Landwirte, Säule II unterstützt die ländliche Entwicklung also Förderungen für Infrastruktur, Umweltmaßnahmen, Hofnachfolge oder regionale Projekte. Diese Trennung war nicht perfekt, aber funktional. Nun soll sie aufgehoben werden.

Die EU-Kommission plant einen einheitlichen GAP-Fonds, der alle Mittel bündelt, auch aus anderen Bereichen wie Fischerei, Tourismus oder Sozialpolitik. Damit verschwindet die ländliche Entwicklung als eigenständiger Politikbereich und wird Teil eines größeren Wettbewerbs um Mittel aus einem Sammelfonds. Die Folgen: Weniger Transparenz, weniger Planungssicherheit und höhere Risiken für die ländlichen Räume.

Direktzahlungen gesichert – ländliche Entwicklung unter Vorbehalt

Rund 300 Milliarden Euro sollen laut Entwurf weiterhin zweckgebunden für Direktzahlungen zur Verfügung stehen, ein wichtiger Anker für viele Betriebe. Doch Mittel für die ländliche Entwicklung verlieren ihre feste Verankerung. Statt klarer Programme und definierter Budgets sind nun „Kann-Mittel“ vorgesehen, also Gelder, die in nationalen Plänen möglicherweise bereitgestellt werden, aber ohne verbindliche Zusicherung.

Was das bedeutet? Projektförderung wird zur Lotterie. Förderprogramme wie Agrarumweltmaßnahmen oder Investitionen in Junglandwirte verlieren ihre Grundlage. Planungssicherheit, wie sie über Jahrzehnte mühsam aufgebaut wurde, wird ausgehöhlt.

Renationalisierung statt europäische Gemeinsamkeit

Ein weiterer Kernpunkt der Reform ist die geplante Verlagerung der Verantwortung auf die Mitgliedstaaten. Jeder EU-Staat soll künftig eigene Strategiepläne entwickeln, wie die GAP-Mittel eingesetzt werden, mit mehr Freiheit, aber auch weniger europäischer Kohärenz.

Kritiker sprechen von einer Renationalisierung der Agrarpolitik. Denn ohne verbindliche Rahmenbedingungen droht ein Flickenteppich nationaler Einzellösungen. Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten wären vorprogrammiert, zum Nachteil insbesondere der kleineren und mittelständischen Betriebe in Regionen mit begrenzter nationaler Finanzierungskraft.

Das bisherige Modell der ländlichen Entwicklung diente nicht nur der Landwirtschaft sondern auch dem Zusammenhalt im ländlichen Raum: Tourismusförderung, Breitbandinfrastruktur, Nahversorgung, Dorferneuerung, Umweltmaßnahmen. All das war durch die zweite Säule mitfinanziert. Durch den Umbau besteht die Gefahr, dass diese Strukturförderung verdrängt wird, etwa durch Mittelkonkurrenz mit Themen wie sozialer Inklusion, Sicherheit oder maritimer Entwicklung.

Was auf dem Spiel steht

Die GAP war seit ihrer Einführung nicht perfekt, aber eine tragende Säule europäischer Integration, wirtschaftlich, sozial und strukturell. Sie garantiert Versorgungssicherheit, unterstützt nachhaltige Entwicklung und stärkt den Zusammenhalt zwischen Stadt und Land. Mit der geplanten Reform droht nicht nur der Verlust bewährter Förderstrukturen sondern auch das Ende eines einheitlichen Verständnisses davon, was Europa unter ländlicher Entwicklung versteht.

Natürlich muss sich die GAP weiterentwickeln, kein System bleibt auf Dauer stabil, wenn es nicht auf neue Herausforderungen reagiert. Doch der aktuelle Vorschlag ist keine Weiterentwicklung, sondern eine Abwicklung bewährter Grundprinzipien. Ohne ein klares Bekenntnis zur eigenständigen Förderung ländlicher Räume wird das Versprechen „Europa für alle“ zur leeren Floskel.

Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament sind jetzt gefragt. Sie müssen sich entscheiden, ob sie die ländlichen Räume in Europa wirklich stärken oder ob sie sie im Gulaschtopf eines „Superfonds“ ertränken.

Grüße gehen raus ins Land und die Region.

Autor:

Redaktion Land und Region
Christian Kluge

Fotos: Kluge Kommunikation

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner