05.10.2025 – land und region
Wenn im Herbst die Felder leerer, die Tage kürzer und die Dorfplätze voller werden, dann ist Erntedankzeit. In vielen Regionen gehören festlich geschmückte Altäre, Blaskapellen und Kürbisdeko zur Tradition. Doch bei allem Brauchtum lohnt es sich, genauer hinzuschauen: Erntedank ist kein nostalgisches Ritual, sondern eine Einladung, über unsere Ernährung, Versorgungssicherheit und Wertschätzung nachzudenken.
Vollen Regalen liegt harte Arbeit zugrunde
Die allermeisten Menschen in Deutschland haben das Privileg, sich jederzeit auf volle Supermarktregale verlassen zu können, rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche. Auch in Krisenzeiten wie einer Pandemie, Energieknappheit oder geopolitischen Unsicherheiten ist die Lebensmittelversorgung bislang stabil geblieben. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines hochleistungsfähigen Agrarsystems, getragen von tausenden Betrieben, die täglich dafür sorgen, dass unsere Teller nicht leer bleiben.
Erntedank erinnert uns daran, wie abhängig unsere Gesellschaft von funktionierender Landwirtschaft ist. Doch diese Abhängigkeit ist im Alltag oft unsichtbar. Wer fragt beim Einkaufen noch nach Herkunft, Produktionsbedingungen oder Saisonalität? Wer macht sich bewusst, dass hinter jedem Glas Milch, jeder Kartoffel und jedem Brot ein komplexer Produktionsprozess steht mit Wetterrisiken, Kosten, Personal, Technik und Zeitdruck? Erntedank sollte kein einmaliges Symbolfest bleiben, sondern ein Impuls für dauerhafte Aufmerksamkeit.
Regionale Lebensmittel sind eine tägliche Entscheidung
Wer Erntedank ernst nimmt, trifft bewusste Entscheidungen nicht nur im Festgottesdienst, sondern auch am Supermarktregal. Die Herkunft von Lebensmitteln, ihre Qualität und ihr Preis sind nicht nur ökonomische, sondern auch ethische Fragen.
Regionale Produkte zu kaufen bedeutet:
- kürzere Transportwege
- mehr Transparenz
- stärkere Wertschöpfung in der Region
- Unterstützung heimischer Betriebe
Jede Kaufentscheidung ist ein Bekenntnis zur Struktur, die wir erhalten wollen.
In Zeiten, in denen Landwirtschaft oft pauschal kritisiert wird wegen Klimabilanz, Flächenverbrauch oder Tierhaltung ist es wichtig, Differenzierung und Respekt zu bewahren. Ohne Landwirtinnen und Landwirte gibt es keine Ernte. Ohne Stallarbeit kein Frühstücksei. Ohne Technik kein Brot. Erntedank ruft in Erinnerung: Lebensmittel wachsen nicht im Kühlschrank. Sie sind das Ergebnis eines komplexen, von Menschen getragenen Systems und dieses System ist nicht selbstverständlich.
Dankbarkeit allein reicht nicht – es braucht Haltung
Erntedank ist ein guter Anlass, innezuhalten. Aber wer es ernst meint, muss auch Verantwortung übernehmen als Konsumentin, als Bürger, als Gesellschaft.
Landwirtschaft ist keine beliebige Dienstleistung, die sich beliebig verschieben, outsourcen oder digitalisieren lässt. Sie ist lokal, analog, wetterfühlig und systemrelevant.
Deshalb braucht es mehr als einen Tag der Dankbarkeit. Es braucht das Bewusstsein, dass Versorgungssicherheit, regionale Produktion und faire Preise kein Automatismus sind sondern das Ergebnis von politischem Willen, gesellschaftlichem Rückhalt und persönlicher Entscheidung.
Grüße gehen raus ins Land und die Region.
Autor:
Redaktion Land und Region
Christian Kluge
Fotos: Kluge Kommunikation