08.07.2025 – land und region
In ländlichen Regionen Deutschlands herrscht längst eine stille Unterversorgung, die kaum Schlagzeilen macht aber das Leben von Familien unmittelbar betrifft. Es geht um die Geburtshilfe. Genauer: um den dramatischen Rückgang an Hebammen, insbesondere im freiberuflichen Belegsystem. Was viele nicht wissen: Hebammen sind nicht nur bei der Geburt selbst wichtig, sondern begleiten Frauen oft über Monate in einer Zeit voller Veränderung, Unsicherheit und körperlicher Umstellungen.
Beleghebammen – Rückgrat einer persönlichen Versorgung
Beleghebammen übernehmen eine besonders individuelle und kontinuierliche Betreuung. Sie kennen die Schwangeren oft schon vor der Geburt, sind rund um die Uhr erreichbar, begleiten ins Krankenhaus, betreuen im Wochenbett. Auf dem Land sind sie häufig die einzige verlässliche Konstante in einem ansonsten ausgedünnten Gesundheitssystem. Sie verbinden klinische Sicherheit mit persönlicher Nähe, eine Kombination, die Vertrauen schafft und medizinisch wie psychisch relevant ist.
Doch genau diese wichtige Arbeit steht massiv unter Druck. Der neue Hebammenhilfevertrag sieht vor, Beleghebammen finanziell schlechter zu stellen als bisher trotz bereits prekärer Vergütungsgrundlagen. Viele arbeiten längst am Limit: ohne geregelte Arbeitszeiten, mit hohem persönlichen Einsatz, oft auf eigene Rechnung. Die geplante Verschlechterung wird für viele das berufliche Aus bedeuten. Und mit ihnen verschwinden Versorgungssicherheit, Erfahrung und Vertrauen aus der Fläche.
Auswirkungen auf Familien im ländlichen Raum
Im ländlichen Raum bedeutet der Verlust einer Beleghebamme nicht nur längere Wege zur Klinik. Es bedeutet: weniger Verlässlichkeit, mehr Anonymität, mehr Risiko. Die Belastung für werdende Mütter steigt, gerade in Regionen mit ohnehin schlechter Infrastruktur. Gleichzeitig wird eine gesamtgesellschaftliche Realität ignoriert: Kinder werden nicht nur in Städten geboren. Wer will, dass Familien auf dem Land bleiben, muss dafür sorgen, dass Geburt und frühe Versorgung nicht zum Abenteuer werden.
Was jetzt gebraucht wird
Es braucht mehr als Lippenbekenntnisse. Es braucht:
- Faire Vergütungssysteme, die den realen Aufwand abbilden
- Verlässliche Strukturen, die Planungssicherheit für Hebammen schaffen
- Regionale Versorgungsnetze, in denen freiberufliche Hebammen nicht länger als Lückenfüller dienen
- Gesellschaftlichen Respekt, der sich nicht im Applaus, sondern in politischem Handeln zeigt
Hebammen sind Teil der Daseinsvorsorge
Wer vom Strukturwandel spricht, darf nicht nur an Breitband und Nahverkehr denken. Auch Geburtshilfe gehört zur Grundversorgung und sie beginnt nicht im Kreißsaal, sondern mit der Entscheidung, ob eine Frau sich in ihrer Region gut aufgehoben fühlt. Hebammen im ländlichen Raum sind Teil der regionalen Daseinsvorsorge, so selbstverständlich wie Arztpraxen, Apotheken oder Kitas.
Ein Appell für Respekt und Realitätssinn
Wenn wir den ländlichen Raum nicht nur als Urlaubsidyll oder Agrarstandort sehen, sondern als echten Lebensraum, dann braucht es politische Entscheidungen, die das widerspiegeln. Hebammen sind kein Kostenfaktor. Sie sind Zukunftsarbeit. Wer heute ihre Arbeit kaputtspart, darf sich morgen nicht wundern, wenn junge Familien den ländlichen Raum verlassen oder gar keine mehr entstehen.
Geburt ist keine Randnotiz. Sie ist das Fundament. Für Kinder, Familien und Regionen. Und sie beginnt mit der Frage, ob jemand da ist, der sagt: Ich bin für dich da.
Grüße gehen raus ins Land und die Region.
Autor:
Redaktion Land und Region
Christian Kluge
Fotos: Kluge Kommunikation