01.08.2025 – land und region
Kaum ein anderer Berufszweig wird so regelmäßig und öffentlich kommentiert wie die Landwirtschaft. Ob in Talkshows, Social Media, am Gartenzaun oder im Bundestag, alle reden mit, viele wissen es besser, wenige kennen die Realität. Besonders in den Sommermonaten, wenn Erntezeit ist und die landwirtschaftliche Arbeit sichtbar wird, scheint das Bedürfnis zum Mitreden regelrecht aufzublühen.
Dabei stellt sich eine einfache Frage: Wieso glauben so viele Menschen, Landwirtschaft kommentieren zu können, ohne sie selbst jemals erlebt zu haben?
Von Tomaten auf dem Balkon zum Ackerbau-Experten
Das Bild ist bekannt: Wer schon einmal Kräuter auf dem Fensterbrett gezogen oder Tomaten auf dem Balkon geerntet hat, fühlt sich schnell berufen, die Prinzipien großflächiger Landwirtschaft zu beurteilen. Die Erfahrung mit der eigenen Zimmerpflanze wird zur Projektionsfläche auf komplexe Themen wie Düngung, Pflanzenschutz, Bodenpflege oder Tierhaltung.
Natürlich darf und soll in einer Demokratie jede Meinung gehört werden. Doch eine Meinung ist kein Fachwissen und ein Einzelfall keine Systemkenntnis. Landwirtschaft ist kein Hobby, sondern ein Beruf mit Ausbildung, Studium, Verantwortung und Risiken. Wer mitreden will, sollte zunächst bereit sein zuzuhören.
Realität statt Romantik
Die moderne Landwirtschaft steht unter hohem Druck: Wetterextreme, politische Vorgaben, volatile Märkte, steigende Ansprüche an Klima- und Umweltschutz, gleichzeitig wirtschaftliche Überlebensfähigkeit. Wer heute Lebensmittel produziert, muss täglich Entscheidungen auf Basis fundierten Wissens treffen oft unter Zeitdruck und mit existenziellen Folgen.
Und genau in dieser Realität wirken viele pauschale Aussagen wie aus der Zeit gefallen: „Die Bauern sollen einfach weniger spritzen.“, „Mehr Artenvielfalt wäre doch schön.“, „Die Tiere sollen es gut haben, aber teurer darf es auch nicht werden.“ Diese Forderungen klingen gut, sind aber oft widersprüchlich und ohne Bezug zur Praxis. Wer zum Beispiel pauschal Pflanzenschutz ablehnt, muss auch akzeptieren, dass Erträge sinken und Lebensmittel teurer werden oder verstärkt importiert.
Landwirtschaft erklärt sich – jeden Tag
Landwirte sind bereit, sich zu erklären. Viele Betriebe öffnen ihre Hoftore, geben Einblicke in ihre Arbeit, investieren in Transparenz und Dialog. Aber Erklärungsbereitschaft ist keine Bringschuld für jeden beliebigen Kommentar. Fachliche Entscheidungen lassen sich nicht in 280 Zeichen erklären, sie basieren auf Bodengutachten, Witterungsverlauf, Tierbeobachtung, Marktanalysen und Erfahrungswissen.
Landwirtschaft ist ein Beruf, der sich nicht auf einfache Slogans reduzieren lässt. Wer Verantwortung trägt für Tier, Pflanze, Boden und Nahrung, verdient Respekt keine ständigen Belehrungen.
Fragen stellen – ja. Reinquatschen – nein.
Der Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft ist wichtig. Er lebt von gegenseitigem Interesse, von echten Fragen, von Offenheit. Doch dafür braucht es ein Mindestmaß an Demut vor dem Beruf des anderen. Niemand käme auf die Idee, einem Chirurgen während der OP den richtigen Schnitt zu erklären oder einem Piloten den Anflugwinkel.
Aber in der Landwirtschaft? Da mischt sich jede und jeder ein oft ohne Sachkenntnis, aber mit umso klarerer Haltung. Diese Schieflage verhindert Verständnis und frustriert die, die täglich draußen Verantwortung tragen.
Wer Landwirtschaft verstehen will, sollte nicht nur kommentieren, sondern zuhören, mitgehen, nachfragen, mitdenken. Kritik ist erlaubt aber sie braucht Bodenhaftung, im doppelten Sinne. Nur wer den Beruf kennt, kann ihn beurteilen. Nur wer die Abläufe versteht, kann konstruktiv mitdiskutieren.
Also: Bevor das nächste Urteil gefällt wird, vielleicht einfach mal fragen: Wie sieht dein Tag aus? Was sind deine Herausforderungen? Und was brauchst du, um gute Lebensmittel zu erzeugen?
Das wäre ein Anfang. Für echten Dialog. Für gegenseitigen Respekt. Und für eine Landwirtschaft, die nicht täglich in der Kommentarspalte bestehen muss sondern draußen auf dem Feld.
Grüße gehen raus ins Land und die Region.
Autor:
Redaktion Land und Region
Christian Kluge
Fotos: Kluge Kommunikation