26.08.2025 – land und region

Die politische Sommerpause ist vorbei, doch zurück bleibt eine Entscheidung, die weitreichende Folgen für die heimische Landwirtschaft hat: Der gesetzliche Mindestlohn soll bis 2027 auf 14,60 Euro steigen, ein Vorhaben, das gesellschaftlich gut gemeint ist, aber in der landwirtschaftlichen Praxis vor allem eines bedeutet: existenzielle Bedrohung für arbeitsintensive Kulturen wie Obst, Gemüse und Wein.

In vielen landwirtschaftlichen Bereichen, insbesondere im Ackerbau oder in der Tierhaltung, machen Lohnkosten nur einen Teil der Gesamtkalkulation aus. Anders im Sonderkulturbereich: Obst- und Gemüsebaubetriebe erwirtschaften oft unter enormem Arbeitsaufwand geringe Margen. Hier stellen Löhne bis zu 60 Prozent der Gesamtkosten dar, ein strukturelles Risiko, das sich mit jedem Lohnanstieg potenziert.

Im internationalen Vergleich wirkt die deutsche Regelung wie aus einer anderen Welt: In den Herkunftsländern vieler importierter Produkte liegen die Stundenlöhne zum Teil deutlich unter 5 Euro. Dort greifen weder Tarifverträge noch Arbeitszeitregelungen. Das verzerrt den Wettbewerb und lässt die ökologisch und regional gedachte Landwirtschaft in Deutschland ins Hintertreffen geraten.

Selbstversorgung? Schon heute unzureichend

Politik und Gesellschaft fordern seit Jahren mehr Regionalität, kurze Lieferketten und CO₂-Einsparung durch heimische Erzeugung. Doch die Realität sieht anders aus:

  • Bei Obst liegt der Selbstversorgungsgrad in Deutschland bei unter 20 Prozent.
  • Bei Gemüse sind es nicht einmal 40 Prozent.

Ein gesetzlicher Mindestlohn, der nicht zwischen Branchen differenziert, droht genau diese wenigen regionalen Quellen weiter auszutrocknen. Anstatt Obst und Gemüse aus dem Alten Land, dem Kaiserstuhl oder dem Bremer Umland zu beziehen, werden die Supermarktregale mit Importware aus Südeuropa, Nordafrika oder Übersee gefüllt mit deutlich schlechterer Klimabilanz.

Gute Absichten, schwache Umsetzung

Soziale Gerechtigkeit und faire Bezahlung sind wichtige Ziele. Aber komplexe Systeme brauchen differenzierte Lösungen. Pauschale Mindestlöhne ignorieren strukturelle Unterschiede in der Landwirtschaft, etwa die hohe Saisonalität, die fehlende Mechanisierbarkeit vieler Arbeitsschritte und die enorme Witterungsabhängigkeit.

Dass politisch Verantwortliche in öffentlichen Stellungnahmen zwar das Problem erkennen, aber keine konkreten Gegenmaßnahmen vorschlagen, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht für die Betriebe. Forderungen nach einer „gerechten Agrarpolitik“ oder „gezielter Unterstützung“ bleiben oft im Vagen und verpuffen ohne wirksame Umsetzung.

Was es jetzt braucht

Wenn wir als Gesellschaft ernst meinen, dass regionale Versorgung, Klimaschutz, Biodiversität und faire Arbeitsbedingungen gemeinsam gedacht werden sollen, braucht es eine sachliche Diskussion über sektorbezogene Ausnahmen, gezielte Förderinstrumente und einheitliche Wettbewerbsbedingungen auf europäischer Ebene.

Andernfalls droht genau das Gegenteil: Weniger regionale Produkte, mehr Importe, höhere Emissionen und ein weiterer Rückzug der Landwirtschaft aus der Fläche.

Der gesetzliche Mindestlohn ist kein grundsätzliches Problem, wohl aber seine pauschale Anwendung in Bereichen, die schon heute am Limit arbeiten. Wer langfristig regionale Lebensmittelversorgung will, muss bereit sein, genauer hinzuschauen und mehr zu differenzieren als zu moralisieren.

Grüße gehen raus ins Land und die Region.

Autor:

Redaktion Land und Region
Christian Kluge

Fotos: Kluge Kommunikation

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